Diagnostik und Therapie der postmenopausalen Osteoporose
EINLEITUNG
Die multifaktorielle Erkrankung der Osteoporose beschreibt einen Zustand erhöhter Knochenbrüchigkeit auf der Basis einer reduzierten Knochenmasse und eines gestörten Knochenstoffwechsels.
DEFINITION, EPIDEMIOLOGIE UND SOZIALMEDIZINISCHE BEDEUTUNG DER OSTEOPOROSE
Das erhöhte Frakturrisiko im Alter hat starke Auswirkungen auf Lebensqualität und Mortalität.
Die Osteoporose, eine multifaktorielle, pathogenetisch heterogene Erkrankung mit ca. 7,8 Millionen betroffenen Patienten im Alter ab 50 Jahren, davon 80% Frauen.Die derzeit gültige Definition des Krankheitsbildes beschreibt die Osteoporose als Skeletterkrankung, die durch eine unzureichende Knochenfestigkeit charakterisiert ist.
Von den primären oder idiopathischen Formen der Osteoporose werden sekundäre Formen unterschieden, bedingt durch eine Reihe von schweren Grunderkrankungen oder eine medikamentöse Therapie. Die Abgrenzung der »postmenopausalen Osteoporose« gründet sich auf die beobachteten Zusammenhänge zwischen postmenopausalem Östrogenentzug und beschleunigtem Abbau an Knochenmasse einerseits und zwischen erniedrigter Knochenmasse und gehäuftem Auftreten von Frakturen bei geringen äußeren Anlässen (Fragilitätsfrakturen) andererseits.
Die Osteoporose weist eine deutliche geschlechtsspezifische Prävalenz auf.
Frauen erkranken 4–5-mal häufiger als Männer, wobei die Frakturen in einem wesentlich früheren Lebensabschnitt auftreten und Frauen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung länger mit den z. T. drastischen Einschränkungen ihrer Lebensqualität, Folgemorbidität, Pflegebedürftigkeit und erhöhter Mortalität leben müssen.
Insgesamt wird jede dritte Frau nach der Menopause von einer osteoporosebedingten Fraktur betroffen sein, wobei die Inzidenz osteoporosebedingter Wirbelkörper- und Schenkelhalsfrakturen mit dem Alter exponenziell zunimmt.
DIAGNOSE DER OSTEOPOROSE
Die Diagnose der Osteoporose wird aus dem Zusammenspiel von Anamnese, klinischem Befund, Basislabor und gegebenenfalls apparativer Diagnostik gestellt.
Zusätzlich ist in Einzelfällen eine Röntgenuntersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule notwendig. Ziel dieser mehrere Schritte umfassenden Diagnostik ist die Abschätzung des individuellen Frakturrisikos mit anschließender Therapieentscheidung.
Empfehlung zur Basisdiagnostik
Frau | Mann | Bei Vorliegen eines oder mehrerer der folgenden Befunde (sofern Risiko nicht behebbar): |
50-60 Jahre | 60-70 Jahre |
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60-70 Jahre | 70-80 Jahre |
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> 70 Jahre | > 80 Jahre |
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SPEZIFISCHE ANAMNESE
- Aktuelle Beschwerden -> :Rückenschmerzen?, Funktionsbeeinträchtigung?, Allgemeinzustand?
- Fraktur – und Sturzanamnese, Krankheiten oder Medikamente mit Einfluss auf das Skelett oder auf Stürze?
- Frakturrisiken? Werden alle Maßnahmen unter 1. zur Prophylaxe durchgeführt?
- Untersuchung -> Messen von Körpergröße und –gewicht, Hinweise für sekundäre Osteoporose oder Malignome?
- „Timed-up-and-go“ oder „Chair rising“-Test.
KÖRPERLICHE UNTERSUCHUNG
Bei der körperlichen Untersuchung, insbesondere bei Patienten mit einer manifesten Osteoporose und entsprechenden Frakturen, wie z.B. Wirbelkörperfrakturen, ergeben sich neben akuten und chronischen Schmerzen auch bedingt spezifische Befunde, wie z.B. Prellmarken oder Narben nach Stürzen, ein verringerter Rippen-Becken-Abstand .
Labor: Blutbild: BSG/CRP; im Serum: Kalzium, Phosphat, Kreatinin, AP, Gama GT, TSH, Eiweiß– Elektrophorese (B-D)
OSTEODENSITOMETRIE
Eine Erniedrigung der Knochendichte stellt einen starken und unabhängigen Risikofaktor für osteoporosebedingte Brüche dar. Die Knochendichtemessung liefert somit wichtige Informationen zur Abschätzung des Frakturrisikos.
Die »dual-energy x-ray absorptiometry« (DXA) stellt heute die Methode der Wahl dar.
Untersucht werden die Lendenwirbelsäule, der Schenkelhals, der Ganzkörper oder auch Spezialregionen. Die Ergebnisse werden als Flächendichte in g/m2 angegeben und entsprechen nicht dem physikalischen Dichtewert des Knochens (Masse/Volumen).
Die Vorteile der DXA liegen in einer kurzen Scan-Zeit, einer guten räumlichen Auflösung mit sicherer Abgrenzung von Wirbelkörpern, einer hohen Präzision und der internationalen Standardisierung.
In der Lendenwirbelsäule wird der mittlere T-Wert derjenigen Wirbel von L1–L4 ermittelt, an denen eine möglichst artefaktarme Messung möglich ist. Am proximalen Femur ist der T-Wert der Gesamtfemurregion für die Risikobeurteilung am besten geeignet.
QUANTITATIVE ULTRASONOMETRIE (QUS)
Mit der quantitativen Ultrasonometrie (QUS) steht seit einigen Jahren eine röntgenstrahlfreie Messmethode zur Verfügung.
Bei diesen vornehmlich am Os calcaneus, aber auch an den Phalangen durchgeführten Untersuchungen, werden die Ultraschall-Leitungsgeschwindigkeiten und/ oder die Breitband Ultraschall-Abschwächung bzw. eine Kombination aus beiden gemessen .
Das Fersenbein wurde als Messort ausgewählt, da es im Rahmen radiologischer Knochendichteverfahren bereits als guter Messort zur prädiktiven Frakturvorhersage validiert war, es einfach zu er reichen ist, es ein gewichtstragender Knochen ist und zu dem mit >90% einen hohen Anteil an trabekulären Knoch en besitzt, welcher einen der Wirbelsäule vergleichbaren Knochenstoffwechsel bzw. eine vergleichbare Knochenverlustrate aufweist.
Der Vorteil dieser Methode ist die große Akzeptanz in der Bevölkerung, da keine Röntgenstrahlen verwendet werden, die Schnelligkeit der Messung, der flexible Einsatz im ambulanten Bereich sowie die geringen Anschaffungskosten.
WHO-KLASSIFIZIERUNG
Die Klassifizierung der WHO gründete sich auf die Beobachtung, dass das Frakturrisiko mit Abnahme der Knochendichte als Surrogat der Knochenmasse kontinuierlich und bei sehr niedrigen Werten exponenziell zunimmt. Die WHO-Kriterien sollten daher nur als Richtwerte angesehen werden, die einen Beitrag zur Sicherung der Diagnose »Osteoporose« und für therapeutische Entscheidungen liefern. Entscheidend ist letztlich die Kombination der Ergebissen aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und apparativer Diagnostik .
Prävention | |
Normal | T-Score bis -1 SD (bis 10% Knochendichteverlust) |
Osteopenie | T-Score zwischen -1 bis -2.5 SD (10-25% Knochendichteverlust) |
Behandlung | |
Osteoporose | T-Score <-2.5 SD (mehr als 25% Knochendichteverlust) |
Manifeste Osteoporose | Osteoporose und Fraktur |
Tabelle : Densitometrische Definition der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mittels DXA
ABSOLUTES FRAKTURRISIKO UND THERAPIESCHWELLE
Das Ziel der Osteoporosediagnostik ist es, eine möglichst präzise Aussage zum individuellen Risiko einer Patientin zu treffen, eine osteoporosebedingte Fraktur zu erleiden. Die WHO definierte 1994 die Osteoporose ausschließlich über die Knochendichte und damit über einen einzelnen Risikofaktor.
Das Gesamtfrakturrisiko hängt von den oben aufgeführten Einzelrisikofaktoren ab.
Unter diesen Risikofaktoren haben Alter, Knochendichte und prävalente Wirbelkörperfrakturen in Bezug auf ihren unabhängigen Beitrag zum Gesamtfrakturrisiko den größten Einfluss und sind bezüglich ihrer Interaktionen am besten untersucht.Eine spezifische medikamentöse Therapie wird nach den aktuellen Leitlinien empfohlen, wenn das auf der Grundlage der derzeit verfügbaren epidemiologischen Daten geschätzte 10-Jahresrisiko für Wirbelkörper- und proximale Femurfrakturen >30% beträgt und die T-Werte der DXA- Knochendichtemessung an der LWS oder am proximalen Gesamtfemur <–2,0 betragen und damit eine therapeutische Effizienz der Osteoporosetherapeutika belegt ist.
Eine spezifische medikamentöse Therapie zur Sekundärprophylaxe weiterer Frakturen wird aufgrund des hohen Folgerisikos für Frakturen bei allen Personen nach einer osteoporotischen Wirbelkörperfraktur empfohlen, bei denen der T-Wert der DXA-Knochendichtemessung an der LWS oder dem proximalen Gesamtfemur Werte < –2,0 aufweist und damit eine therapeutische Effizienz der Osteoporosetherapeutika belegt ist.
Das Folgerisiko für Wirbelkörperfrakturen ist in den ersten Monaten bis Jahren nach einer frischen osteoporotischen Wirbelkörperfraktur besonders hoch, sodass eine rasche Therapieeinleitung wichtig ist .
Frau (Alter in Jahren) | Mann (Alter in Jahren) | T-Wert (niedrigerer Wert der beiden Messungen an der LWS und dem proximalen Gesamtfemur) |
50-60 | 60-70 | -4.0 |
60-65 | 70-75 | -3.5 |
65-70 | 75-80 | -3.0 |
70-75 | 80-85 | -2.5 |
≥ 75 | ≥ 80 | -2.0 |